Jon Poo Werro, Seniorenwanderleiter

30.10.2013

Jon Poo Werro, Seniorenwanderleiter

Das Alter als Teil von Werden und Vergehen

Wenn Jon Poo Werro vom Alter spricht, dann tut er das in Bildern. In Bildern, die er als Naturmensch und Seniorenwanderleiter draussen in der Natur findet. Er staunt dann zum Beispiel über die alte Arve, die unten an der Wurzel faul und am Absterben ist, dennoch eine Möglichkeit gefunden hat, sich am Leben festzuhalten und weiterzuwachsen. Oder er staunt über den alten Steinbock, dessen Überreste er unterhalb des Piz Chastè gefunden hat, nachdem der Steinbock sich zum Schlafen niedergelegt hat – "an der Art, wie das Skelett dalag, hat man gesehen, dass er einfach nicht mehr aufgewacht ist". Werros Bilder vom Alter sind natürlicher Teil vom Werden und Vergehen. Seine Schwiegermutter, so erinnert er sich, sei am Tag vor ihrem Tod – mit 89 Jahren – noch gesund in ihrem Dorfladen gestanden und habe Ware verkauft. "Am nächsten Tag ist sie einfach gestorben."

"Das Rentenalter ist etwas Wunderbares"

Wenn der 73jährige erzählt, hat man immer den Eindruck, man spreche mit einem Menschen in seinem besten Alter. Er habe gerne gearbeitet – er war bei den Engadiner Kraftwerken angestellt – aber das Rentenalter sei für jemanden wie ihn etwas Wunderbares. Er schätzt an diesem Lebensabschnitt, dass er jetzt sehr viel Zeit für seine vielen Interessen hat. Seine Tätigkeit als Seniorenwanderleiter ist nur eines davon. Als ehemaliger Jäger und SACler ist er auch sonst gerne und viel in den Bergen unterwegs. Oberhalb vom Dorf Susch, wo er mit seiner Frau lebt, dient ihm eine Jägerhütte als zweites Zuhause. Er hat sie selber gebaut, den Kochherd darin hat er eigens renoviert. Dort, am Berg, kann er seiner grossen Leidenschaft nachgehen: Wildtiere beobachten. Da ist neben dem Sperlingskauz der Bartgeier, Adler, Schneehasen, ja sogar ein Luchs ist ihm schon begegnet. Zu jeder Tierart hat er mindestens eine Geschichte zu erzählen. Diese Verbundenheit hat ihm in der letzten Zeit als Jäger denn auch Mühe gemacht, "die getöteten Tiere haben mir zunehmend leidgetan". Auch wenn er betont, dass er gar nicht gegen die Jagd sei.

Wursten, Holzen, Kontakte pflegen

Immerhin ist eines seiner weiteren Hobbys das Wursten. In Hamburg hat er einen gebrauchten Wurstfüller der Marke Dick erstanden, "wie mein Grossvater in Sent einen hatte". Damit stellt er Siedwürste, Rauchwürste sowie Salsiz her – unter anderem mit Wildfleisch von befreundeten Jägern und nur für Freunde und Bekannte. Er könnte viel mehr absetzen als die rund 2000 Würste, die er jährlich produziert, doch das Wursten ist ja nicht seine einzige Beschäftigung. Nebenbei erwähnt er, dass er Präsident des Alters- und Pflegeheimes Chasa Puntota war. Sein vier Jahre älterer Bruder lebt aufgrund seiner Alzheimererkrankung dort. Einmal in der Woche holt er ihn und verbringt den Tag mit ihm. "Das ist schon schlimm, diese Krankheit." Jon Poo Werro jedoch ist gesund und vital, er stellt seine Kraft gerne auch anderen zur Verfügung. Holzen tut er auch nicht nur für sich selber. "Ich habe ja einen Militärjeep mit Anhänger, und Holz hat es genug im Wald. Da kann ich noch gleich für zwei, drei Nachbarn im Dorf Holz rüsten."

Der Unterengadiner steht mitten im Leben, er schöpft aus dem Vollen. Seine vielen Interessen bringen ihn mit vielen Menschen in Kontakt, und diese Kontakte pflegt er auch.  Er weiss nur Gutes über seine Mitmenschen zu erzählen. Nur eines mag er nicht: Reisen. Jedenfalls grössere Reisen. Der Freund seiner Tochter lebt auf Mallorca. Seine Frau war schon dort, doch er selber kann sich dazu nicht überwinden. "Es könnte sicher nicht schaden", meint er. Dennoch ist ihm lieber, wenn der Freund ins Engadin kommt. Dort ist Werro aufgewachsen, dort ist er verwurzelt, wie die Arven am Berg.

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